Marco und die Gang 3

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Marco und die Gang 3

  1. Finderlohn und ein Bad im Fluss

In der folgenden Pause beeilte sich Marco, möglichst rasch unter das Fenster des Klassenraums zu gelangen. Er war allerdings nicht schnell genug. Als er den Ort erreichte, wo sein Schuh gelandet war, sah er eine Gruppe von drei Jungs aus einer Parallelklasse, die schon damit begannen, den Sneaker rumzukicken. Marco trat auf die Jungs zu und sagte: „Hi, könnte ich bitte meinen Schuh wiederhaben?“

„Ey, den haben wir gefunden. Also gehört der jetzt uns. Und woher sollen wir überhaupt wissen, dass das deiner ist?“, antwortete einer der Jungs.

„Bitte! Das ist mein Sneaker“, antwortete Marco und zeigte auf den Air Force One, der sich an seinem Fuß befand. „Ich habe hier doch den passenden zweiten Air Force.“

„Alter, hier trägt beinahe jeder Air Force Ones – also ist das kein Beweis!“

„Und wieso laufe ich dann hier nur mit einem Sneaker rum, wenn das da nicht meiner ist?“, antwortete Marco, wobei ihm eigentlich schon klar war, dass die Jungs genau wussten, dass es sein Schuh war.

„Okay, wenn es die gleiche Größe ist, dann glauben wir dir. Den, den wir gefunden haben, hat eine 42,5. Und jetzt zeig mal deinen Air Force.“

„Hey, das sieht man doch, dass die zusammen gehören“, versuchte es Marco. Vergeblich. Er musste sich auch seinen zweiten Sneaker ausziehen, um ihn den Jungs zu geben. Sie checkten die Größe, während Marco in Socken danebenstand.

„Ja, das passt. Aber wir kriegen natürlich Finderlohn.“ Marco versicherte, dass er kein Geld mehr hatte, was ihm die Jungs erst glaubten, nachdem sie ihn gründlich gefilzt hatten. „Tja, schade für dich. Den hier kannst du wieder haben..“ er warf Marco den Schuh rüber, den er zum Größenvergleich ausgezogen hatte „ .. aber den Sneaker haben wir gefunden, also gehört er jetzt uns.“ Marco war so verzweifelt, dass er einen Satz auf den Jungen zumachte, der seinen Sneaker in der Hand hatte, und danach griff. Der warf den Sneaker einfach schnell einem der anderen Jungs zu, was sich sodann zu einem Schweinchen-in-der-Mitte-Spiel entwickelte. Schließlich pfefferte einer der Jungs den Nike-Sneaker mit vollem Karacho und der Sohle voran in Marcos Gesicht. Bevor Marco die Schmerzen vom ersten Schlag realisieren konnte, knallte der Schuh nochmal in sein junges hübsches Gesicht und hierließ dort heftige rote Striemen. Marco wollte zurückweichen, um weiteren Schlägen zu entgehen – vergebens, sie packten ihn und hielten ihn erbarmungslos fest, während er noch drei weitere Schläge mit dem Sneaker ins Gesicht kassierte. Wer weiß, wie lange das noch weiter gegangen wäre – glücklicherweise ertönte der Gong und markierte das Ende der Pause, woraufhin ihm der Typ, der ihn geschlagen hatte, Marco den Sneaker an den Kopf warf. „Morgen hast Du unseren Finderlohn – sonst kriegst du wieder deinen Air Force in die Fresse!“

Wieder in der Klasse machten sich seine Mitschüler*innen natürlich über sein gerötetes Gesicht lustig, in dem man sogar die Abdrücke des Profils der Air Forces erahnen konnte, aber das war Marco egal. Ihm konnte der Schultag gar nicht lange genug gehen, leider war er dann doch vorbei und er musste die relative Sicherheit des Schulgeländes verlassen.

Ali, Emre und Mehmet warteten schon vor dem Schulkomplex auf ihn und fingen ihn gleich ab, indem sie ihn in umkreisten und in eine Ecke drückten. „Schon wieder keine Kohle, Du Opfer?“ Ein kräftiger Stoß von Ali, der ihn rücklings zu Emre stolpern ließ, der ihn wieder nach vorn Richtung Mehmet schubste. „Alter, ich dachte wir sind Freunde. Wieso gibst du uns nicht das Geld, das du uns schuldest?“ Und so ging die Schubserei, gepaart mit schmerzhaften Ohrfeigen und Fausthieben auf die Oberarme, weiter, während Marco versuchte zu antworten: „Jungs, bitte … morgen habe ich das Geld, versprochen! Echt, bitte, ihr müsst mich echt nicht verprügeln.“

Mittlerweile war auch Deniz dazu gekommen, der nach Schulschluss noch gemütlich eine geraucht hatte, und sagte „Opfer, wir haben´s dir gesagt, entweder du zahlst, oder es gibt Strafe.“ Und an seine Jungs gewandt: „Was meint Ihr? Heute wird er nass.“ Zustimmendes Gelächter.

„Na los, Opfer, du kommst brav mit, dann wird es auch nicht so schlimm.“ Marco nickte und machte sich auf, die Jungs zu begleiten. „Hey, er soll einen Sneaker ausziehen. Nicht das er uns noch wegläuft“, meinte Ali.

„Hey, echt nicht. Ich laufe nicht weg. Versprochen.“ Ali quittierte die Weigerung von Marco, indem er ihm eine Ohrfeige versetzte, die seinen Kopf zur Seite schnellen ließ. Schnell hob Marco seinen rechten Fuß, den sich Ali griff, um Marco dann den Air Force One vom Fuß zu ziehen.

Diesmal führten sie ihn zu einem kleinen Fluss, der an verschiedenen Stellen das Stadtgebiet durchquerte. Der Weg führte sie leider nicht nur über asphaltierte Straßen, sondern auch über Schotterweg, auf denen die Kieselsteine sich schmerzend in Marcos Fußsohle bohrten. Auch ein Stück matschiger Feldweg war dabei, auf dem sich Marcos weiße Socke mal wieder mit Dreck vollsaugte.

Die Stelle, die sie dann erreichten war ideal – abgelegen unter einer Brücke einer Schnellstraße, ein wenig entfernt von einem kleinen Weg, auf dem nur gelegentlich Fahrradfahrer oder Spaziergänger vorbeikamen. Diese Passanten sahen aber nur ein paar Jungs, die direkt am Fluss rumstanden und irgendwas machten. Was genau, wollten sie gar nicht wissen. Wahrscheinlich nur ein bisschen Spaß unter Jungs.

Für Marco war es aber kein Spaß, als er zunächst bis zum Ufer des Flusses geschubst wurde, wo sich dann Emres Faust in seinem Magen versenkte, sodass er vor Schmerzen vor dem Flüsschen zusammenbrach und keine Luft mehr bekam. Mehmet krallte sodann seine Hand in Marcos Genick und drückte sein Gesicht in das kalte Wasser. Marco, dessen Atmung von dem Faustschlag ohnehin beeinträchtigt war, wollte nach Luft japsen, musste sie aber stattdessen anhalten. Und Mehmet lockerte seinen erbarmungslosen Griff nicht und drückte seinen Kopf mit großer Kraft unter Wasser. Marco bäumte sich auf, versuchte sich zu befreien – vergebens. Die anderen Jungs waren einfach stärker. Irgendwann ging es nicht mehr, er musste atmen. Doch statt Luft füllten sich seine Lungen mit Wasser, und noch immer drückte ihn Mehmet unter Wasser. Wilde Panik kam ihn ihm auf – er verstärkte seine Bemühungen, sich zu befreien, aber nicht nur, dass Mehmet sein Genick fest im Griff hatte, auch die anderen Jungs hielten ihn fest nach unten gedrückt und fixierten seine Arme und Beine, sodass er keine Chance hatte. Endlich, als er schon dachte, sie würden ihn ersäufen wie eine räudige Katze im Sack, zog Mehmet ihn wieder hoch.

Nicht mehr unter Wasser hustete Marco sich erst die Seele aus dem Leib, und sog sodann wertvolle Atemluft in seine Lungen. Nach drei oder vier Atemzügen war die Pause allerdings schon wieder vorbei und sein Kopf wurde erneut ins kalte Nass gedrückt. Als Marco merkte, dass er schon wieder keine Luft mehr hatte, begann er sich aufzubäumen und zu strampeln – alles zwecklos. Er war gegen die Jungs einfach wehrlos. Und wieder atmete er Wasser ein und bekam Todesangst, bis sie ihm den Kopf wieder hochzogen. „Bitte, hört auf. Morgen habe ich das Geld“, konnte Marco noch mit heiserer Stimme japsen, bevor sie sein Gesicht erneut solange unter Wasser drückten, bis er nicht mehr konnte. Diesmal musste hustete er wie wild und erbrach geschlucktes Flusswasser. Da es nicht gleich wieder ins Wasser ging, schöpfe Marco Hoffnung, dass die Tortur vorbei war.

Sie waren aber noch längst nicht mit ihm fertig. Emre und Mehmet zerrten ihn auf die Beine und hielten ihn jeweils links und rechts an den Armen fest – dem Fluss zugewandt. Deniz nahm Anlauf und trat Marco aus vollem Lauf in den Rücken, worauf Marco vornüber in den flachen Fluss fiel und sich beim Aufprall das Gesicht

aufschürfte. Mühsam richtete er sich auf, er wollte aus dem kalten Wasser, wurde bei dem Versuch jedoch von den drei Schlägern zurückgeschubst, sodass er nun rücklings ins Wasser fiel. „Schau mal was ich hier habe!“, rief ihm Ali zu und hielt den Nike Air Force One hoch, den Marco noch vor der Schule hatte ausziehen müssen. „Na los, fang ihn!“ Sprachs – und warf den Schuh in hohem Bogen Richtung Fluss, ohne dass Marco eine Chance gehabt hätte, ihn tatsächlich zu fangen. Marco Sneaker klatschte in der Mitte des Flusses ins Wasser und begann abzutreiben. Marco blieb nichts anderes übrig, als mit großen Schritten in das tiefere Wasser zu waten, um seinen Nike-Sneaker zu retten. Da der Sneaker immer stärker von der Strömung erfasst wurde, musste sich Marco beeilen, aufgrund der Hektik stolperte er und fiel klatschend ins Wasser. Im Fallen war er jedoch geistesgegenwärtig genug gewesen, um sich lang zu machen und mit ausgetrecktem Arm nach seinem im Wasser schaukelnden Sneaker zu greifen. Den Sneaker erwischte er nicht, aber dafür einen Schnürsenkel, sodass er erleichtert den Schuh zu sich ziehen konnte.

Mühsam richtete er sich auf und watete zurück auf das trockene Ufer zu, wo aber die Jungs von der Gang, grinsend und mit auf ihn gerichteten Smartphones, schon auf ihn warteten. Kurz bevor er den Fluss hätte verlassen können, trat ihn Ali mit gestecktem Bein in den Bauch und schubste ihn damit zurück in den Fluss. „Du bist doch noch gar nicht richtig sauber!“, schrie er ihn an. „Na los, zieh Deine Klamotten aus!“ Marco schaute ungläubig zu den Jungs. „Hast Du nicht gehört, zieh Deine Klamotten aus und wirf sie rüber. Vorher lassen wir dich nicht raus.“ Als erstes gab er ihnen den gerade erst geretteten Nike-Sneaker. Dann zog sich Marco aus – erst seine Jacke, Hoody und T-Shirt, und gab sie den Jungs am Ufer und schaute sie dann fragend an. „Na los, weiter! Den zweiten Schuh, die Socks und Hose.“ Marco, der keinen anderen Ausweg sah, gehorchte – er zog sich erst seinen zweiten Air Force One aus, dann seine weißen Nike-Socks und abschließend seine Hose und gab die Kleidungsstücke seinen Peinigern.

Marco stand nun nur noch mit seinen Unterhosen bekleidet im Fluss, während die Jungs von der Gang seine Schuhe und Klamotten auf den Boden in den Dreck warfen und darauf herumtraten. Dann knüllten sie die Klamotten zusammen und warfen sie zurück in den Fluss. Erst segelte ein Air Force One flussaufwärts in das Wasser, danach die Socken flussabwärts. Hose, Oberteile und Jacke und der zweite

Sneaker folgten. Währenddessen hechtete Marco verzweifelt durch das Wasser und versuchte, seine Kleidungsstücke zu bergen. Als er nach seinem davonschwimmenden Sneaker griff, rutschte er aus und fiel schmerzhaft in das Bachbett und schürfte sich die Knie und Handgelenke auf.

Es gelang ihm nicht, alle Klamotten zu retten – eine Socke und sein T-Shirt erreichte er nicht mehr. Ali griff sich den noch um Ufer liegenden Rucksack von Marco, um ihn zu öffnen und ihn samt Inhalt in den Fluss zu befördern, wurde aber von Deniz aufgehalten. „Nicht die Schulsachen. Wie soll er sonst meine Hausaufgaben machen?“ Hierauf lachte Ali, warf den Rucksack wieder auf den Boden und kickte ihn nur ein Stück weg.

„Na los, du kannst jetzt wieder rauskommen!“, forderte Deniz Marco dann auf. Marco schleppte sich aus dem Bachbett, vor Kälte zitternd und mit bebenden blauen Lippen. Er sah bemitleidenswert aus – aber Mitleid kannte die Gang nicht. Stattdessen verpasste ihm Ali einen heftigen Tritt mit seinen weißen Air Max 90 zwischen die Beine und schlug ihm in die Nieren, sodass Marco schon wieder zu Boden ging. Dort stellte sich Ali dann mit seinem vollen Gewicht auf ihn – mit einem Fuß auf dem Bauch und dem anderen auf seinem Gesicht. Währenddessen zog Deniz Marcos Unterhose runter, um sodann mit seinen Air Max Tn. 3 den Bereich zwischen Marcos Beinen zu bearbeiten. Natürlich blieben Mehmet und Emre nicht untätig und traten mit ihren Sneakern auf Marcos Hände. Sie rieben ihre Sneakersohlen so an ihm ab, wie man es normalerweise nur an einem Schuhabstreifer machen würde. Auf die Aufforderung von Ali musste Marco die Zunge herausstecken, auf der erst Ali und später auch die anderen Jungs die vom Matsch des Flussufers dreckigen Sohlen von ihren Sneakern zogen.

Als sie endlich mit ihm fertig waren, hatte Marco überall an seinem Körper Abdrücke und Abschürfungen von den Sneakersohlen der Jungs sowie eine ganze Menge Dreck auf der Zunge.

„Was ist denn mit dir passiert?!“, fragte seine Mum ungläubig, als sie ihren Sohn Marco sah, der vergeblich versuchte hatte, sich heimlich ins Haus zu schleichen. Seine Kleidung, soweit noch vorhanden, war vollkommen durchnässt und tropfte den

ganzen Boden voll. Immerhin hatte er sich seine beiden genauso nassen Sneaker vor der Tür ausgezogen, aber wieso trug er nur eine Socke? Und wie sah sein sonst so gutaussehendes Gesicht aus? Voller Abschürfungen und leicht geschwollen von Hämatomen, die ein Muster zu bilden schienen.

„Ich habe versucht, über einen Baumstamm zu balancieren, der über einen Fluss ging. Das war eine bescheuerte Wette, aber Jonas und Kevin sind vor mir rüber und ich wäre wie der letzte Feigling rübergekommen, wenn ich es nicht versucht hätte. Naja, und dann bin ich abgerutscht und voll in den Fluss.“ Marcos Mutter verstand die Welt nicht mehr. Bislang war Marco immer so ein handzahmer Teenager gewesen, der ihr wenig, bis keinen Ärger bereitet hatte. Und jetzt so eine Dummheit. „Na großartig. Deine Oma liegt im Krankenhaus, was mir schon genug Sorgen bereitet. Ich muss noch Klassenarbeiten der letzten drei Wochen korrigieren, und du machst mir auch noch Stress.“ Marcos Mum amtete ein und aus und fuhr etwas ruhiger fort „Los jetzt. Sofort ins Badezimmer mit dir. Raus aus den nassen Klamotten und dann nimmst du ein warmes Bad, damit du dir nicht noch den Tod holst.“ Widerspruch zwecklos, auch wenn Marco wirklich keine Lust mehr auf Wasser hatte, auch nicht in der Badewanne, folgte er der Anweisung seiner Mutter. In der Badewanne liegend versuchte er nicht an die Angst zu denken, die er empfunden hatte, als er kurz vor dem Ertrinken gestanden hatte und betrachtete zur Ablenkung stattdessen die Abdrücke und Abschürfungen auf seinem schlanken Körper – tatsächlich konnte man an einigen Stellen noch die Profilabdrücke der Sneaker erkennen, aber vielleicht bildete er sich das auch nur ein.

Wenigstens hatte er endlich sein Taschengeld bekommen – sogar das von seiner Oma, die seine Mutter sogar im Krankenhaus angewiesen hatte, das Geld für ihn zu holen. Rührend. Er würde sie gleich morgen im Krankenhaus besuchen. Jedenfalls hatte er jetzt wieder mehr als genug Kohle auf der Hand, um das Schutzgeld zu bezahlen.

  1. Terror auf der Schultoilette

Er würde ab sofort immer eine Rücklage für solche unerwarteten Notfälle bilden. In die Schwierigkeiten war er auch nur gekommen, weil er so dumm gewesen war, sich von dem Geld, das nach seinen Schutzgeldzahlungen noch übrig war, ein Paar neue

4er Air Jordans zu kaufen. Normalerweise kauften seine Mum und manchmal sein Dad seine Klamotten, aber hier hatte er schnell an einem Raffle teilnehmen müssen. Er hatte eigentlich gar nicht damit gerechnet, dass er den Raffle gewinnen würde. Was für eine Ironie – da hatte er einmal bei einer Auslosung Glück, und das hatte ihm nur Angst, Schmerzen und ein Dasein als Deniz´ Sklave eingebracht. Und überhaupt – wozu die Jordans? Er würde sich eh nie trauen, die in die Schule oder überhaupt irgendwo draußen anzuziehen. Er war ja schon froh, dass er wenigstens noch seine Sneaker hatte, die er für den Schulsport in der Halle nutzte. Das waren sehr auffällige Basketballschuhe von Nike, weiß-blau-rote Air More Uptempo ´96. Das waren zwar nicht unbedingt die üblichen Hallensportschuhe – aber es wurde viel Basketball im Unterricht gespielt. Und das wichtigste – Marco fuhr voll auf den fetten 90er-Style dieser klobigen Teile ab.

Am nächsten Tag ging es Marco nicht gut. Zum einen hatte er kaum schlafen können. Egal wie er sich hinlegte, drehte und wendete – überall an seinem Körper hatte er Schmerzen. Zum anderen hatte er üble Halsschmerzen, die ihm zeigten, dass er sich bei seinem unfreiwilligen Bad im Fluss wohl eine Grippe eingefangen hatte. Auch fühlte er sich leicht fiebrig. Aber an Krankmachen war natürlich nicht zu denken. Er musste heute bezahlen, da er sicher war, dass es auch im Falle einer Erkrankung im Nachhinein wieder „Säumniszuschläge“ geben würde.

Er kontrollierte zweimal, ob er das Geld für die Gang eingesteckt hatte.

Sicherheitshalber nahm er noch zehn Euro zusätzlich mit – für die Typen aus seiner

Parallelklasse, die ja gesagt hatten, dass sie noch Finderlohn wollten.

Es hatte noch Diskussionen mit seiner Mum gegeben, die unbedingt wollte, dass er sich neue Sneakers anzieht, da seine Air Forces noch nicht vollständig getrocknet waren. Da Marco aber keinen Bock darauf hatte, schon wieder abgezogen zu werden, schlüpfte er schnell in seine klammen Nikes, sagte „Tschüss, Mum!“ und haute schnell ab.

Er hatte gute Laune. Zum ersten Mal seit Tagen musste er nicht befürchten, zusammengeschlagen zu werden. Und es war Freitag, das hieß, er hatte zwei Tage

Ruhe. Zwei Tage Pause vom Dasein als Sklave. Vielleicht könnte er sich sogar mal neue Sneakers anziehen, beispielsweise seine Jordans.

In der Schule ging Marco zuerst zu Deniz. „Hey, biste krank?“, fragte der ihn. „Warum gehst du auch mitten im Herbst im Fluss schwimmen?“.

Marco machte gute Miene zum bösen Spiel und es gelang ihm sogar ein Grinsen

aufzusetzen, als er antwortete: „Tja, weiß auch nicht. War sehr erfrischend.“

„Okay, die Erfrischung kannst du gerne öfter haben. Musst nur unsere Kohle wieder

nicht dabei haben.“ Marco kapierte das Stichwort und griff nach seinem Geldbeutel

und zog die sechzig Euro raus. Es war so eine Erleichterung, Deniz endlich das Geld

geben zu können. Deniz nahm das Geld, aber statt zufrieden zu sein, riss er Marco

seinen Geldbeutel aus der Hand und checkte den Inhalt. „Na sowas. Da ist ja noch

was für mich“. Sprachs – und nahm die restlichen zehn Euro raus. Marco starrte nur

ungläubig und machte Anstalten, zu protestieren. „Hey, Opfer. Halt´s Maul! Die

sechzig Schleifen sind für die Jungs und mich, die teilen wir. Und die zehn sind nur

für mich, das ist deine Sklavenabgabe an mich als dein persönlicher Master. Und

weißt du was? Das war die Anzahlung. Ich krieg ab sofort fünfzig von dir.“ Marco

machte große Augen und schüttelte den Kopf. „Aber das sind dann ja …“

„Genau – das sind hundert Piepen die Woche. Fünfzig Schutzgeld, fünfzig als Cashslave. Kannst mir aber auch Geschenke machen. Und vielleicht kann ich was organisieren.“ Marco wollte gar nicht wissen, was Deniz damit meinte, wenn er sagte, er könne etwas organisieren. Sein Enthusiasmus, den er am Beginn des Tages empfunden hatte, war verflogen. Er bekam zwar eine ganze Menge Taschengeld, das bei weitem ausreichend für einen Teenager war. Aber hundert Euro pro Woche abzudrücken, war nicht drin.

Diese Gedanken beschäftigten Marco während der ersten beiden Schulstunden. Er konnte sich so gar nicht darüber freuen, dass die ausnahmsweise mal nicht krankheitsbedingt abwesende Deutschlehrerin Deniz für seinen Aufsatz lobte, den er als Hausaufgabe gemacht hatte. „Eine wirklich deutliche Verbesserung. Sehr gut, Deniz.“

In der großen Pause ging Marco zu dem Platz, wo Deniz mit seinen Cousins abhing und fragte ihn, ob er etwas für ihn, Master D., erledigen solle. Irgendwie hoffte er,

dass er wegen der guten Hausaufgaben, die er gemacht hatte, heute vielleicht frei bekam. Die Hoffnung wurde enttäuscht „Opfer, was fragst du? Du leckst mir meine Air Max sauber.“ Also ging Marco auf die Knie und beugte sich zu den Füßen von Deniz herunter.

Schlimm, wie die Nikes jetzt aussahen, dachte Marco, während seine Zunge über die Oberfläche glitt. Deniz trampelte mit den Nikes über jeden noch so dreckigen Weg. Er spielte mit denen auch zuweilen Fußball. Von den wunderschönen strahlend weißen Air Max Schuhen mit schwarzen Kontrasten, die man Marco damals gewaltsam vom Fuß gezogen hatte, war nicht mehr viel übrig. Zahlreiche Kratzer und Schrammen zierten die Schuhe, die ehemals weißen Schnürsenkel waren braun-grau und den Schmutz in den Falten konnte auch die Zunge von Marco nicht wirklich entfernen. Hätte er sie behalten dürfen, hätte er die Schuhe nicht so verkommen lassen. Und auch die Sohlen glänzten zwar, nachdem Marco sie wieder bis in die letzte Rille abgeleckt hatte, es steckten aber überall Steinchen im Profil, die man unmöglich mit Mund und Zunge entfernen konnte. Und die Sohlen zeigten auch schon deutliche Abnutzungserscheinungen. Deniz´ Air Max sahen eigentlich beinahe schon so abgerockt aus wie die Air Forces, die Marco trug, nur dass Marcos Air Forces beinah ein Jahr älter waren.

Nachdem er mit dem Ablecken von Deniz´ fertig war, fragte Marco seinen Master, ob er aufs Klo darf, was dieser ihm großzügig erlaubte. Also suchte Marco das Klo auf und erleichterte sich. Gerade als er sich die Hände wusch, stürmten die drei Typen aus der Parallelklasse die Waschräume. Scheiße, die er hatte er ja schon ganz vergessen. Einer von den Typen packte Marco, verdrehte ihm schmerzhaft den Arm hinter dem Rücken und presste ihn mit dem Gesicht voran gegen die Wand, während die anderen allen anderen Schülern, die sich noch in den Toilettenräumen aufhielten, befahlen, schnell zu verschwinden. Die kamen dieser Aufforderung sofort nach. Manche warfen Marco noch einen mitleidigen Blick zu, der zu sagen schien „Tut uns leid, aber was will man machen“.

„Na, wo ist unser Finderlohn?“, wollte der Typ, der ihn gegen die Wand gepresst hielt, ein dicklicher blonder Typ, wissen. „Sorry, Jungs. Ich hatte das Geld dabei,

musste es aber unerwartet abgeben. Wieviel wollt ihr? Ich bring es euch am Montag mit, versprochen“, stammelte Marco.

„Falsche Antwort!“, erwiderte der dicke Blonde und schlug Marco erst mit der flachen Hand ins Gesicht und dann mit der Faust in den Magen. Dann packten sie ihn und zerrten ihn eine Toilettenkabine. „Zeit für eine Haarwäsche“, feixte der Dicke. Mit einem weiteren Schlag brachten sie Marco dazu, auf die Knie zu gehen. Dann drückte einer der Jungs Marcos Kopf so tief in die Kloschüssel wie möglich, das Gesicht auf das Porzellan – es roch so schrecklich nach Urin und Fäkalien, die überall in der Toilette klebten. Ein anderer betätigte die Spülung und das ganze Spülwasser ergoss sich auf Marcos Kopf. Dann griffen sie sich Marcos Beine und hoben sie hoch, um Marcos noch tiefer ins die Schüssel zu drücken. Er machte nun quasi einen Kopfstand in der Toilette. Marco versuchte verzweifelt sich mit den Händen am Rand der Kloschüssel abzustützen, was aber auch nicht viel brachte. Irgendwer betätigte erneut die Spülung und noch mehr ekliges Spülwasser ergoss sich über Marcos Kopf. Er wurde dabei wie eine große Spülbürste hin und her geschoben.

Marco konnte es zwar nicht sehen, da sein Kopf ja in der Toilettenschlüssel steckte, aber er konnte spüren, wie eine Hand seinen in der Luft baumelnden Fuß griff und an seinem Sneaker zerrte, bis dieser von seinem Fuß runter war. Auch den Pausengong hörte Marco nur gedämpft. Die Jungs ließen ihn einfach los, sodass er nochmal schmerzhaft das Porzellan küsste. „Nächste große Pause kommst Du wieder hier her, verstanden? Wenn nicht, bist du nach der Schule so richtig fällig.“ Mit diesen Worten verschwanden die Jungs und nahmen Marcos Sneaker mit.

Es folgten zwei ereignislose Schulstunden. Einmal Mathe, erneut war der Lehrer bass erstaunt über die ungewohnte Qualität der Hausaufgaben von Deniz. Dann eine kleine Pause, in der nicht viel los war. Dass Marco an einem Fuß nur eine weiße Socke trug, verwunderte schon niemanden mehr.

Die nächste Stunde mit Englisch als Fach verging für Marcos Geschmack dann viel zu schnell. Die Pausenglocke läutete. Marco hatte sich gründlich überlegt, ob er überhaupt wieder auf die Toilette gehen sollte. Er hätte sich einem Lehrer anvertrauen können. Oder die Sache einfach auf sich beruhen lassen und den

zweiten Air Force One einfach abschreiben können. Er hatte aber zu viel Angst vor der Strafe, die ihn nach dem Unterricht erwarten könnte. Und eigentlich wollte er nicht mit nur einem Schuh nach Hause gehen. Wenn er gewusst hätte, was noch auf ihn zukommt, hätte er sich darüber gefreut mit nur einem Sneaker den Heimweg bestreiten zu dürfen.

Stattdessen ergab er sich seinem Schicksal und humpelte auf seinem einen Sneaker erneut zu den Toiletten.

Da sie noch nicht drin waren, wartete Marco vor der Tür. Vielleicht würden sie gar nicht kommen. Aber sie ließen nicht lange auf sich warten. Der dicke Blonde ließ bereits beim Näherkommen Marcos Nike-Sneaker an seinem Finger kreisen.

Bevor es losging, wurden wie zuvor die anderen Schüler vertrieben. „So, du kleine Bitch. Wir haben es dir gesagt, ohne Finderlohn kriegst du deinen Sneaker in die Fresse“, sagte der Blonde. „Du stellst dich jetzt brav hin und steckst die Schläge ein. Und dann kriegst du den Sneaker zurück. Okay?“ Marco nickte noch, als ihn schon der erste Schlag traf, ausgeführt wie eine Ohrfeige. Mit einem heftigen Klatscher prallte die Sohle des Schuh auf sein Gesicht. Der Blonde reichte den Schuh an einen seiner Kumpels weiter. Auch der knallte Marco den Schuh ins Gesicht, holte dabei aber mehr aus, sodass es noch schmerzhafter war. Der Dritte lachte nur verächtlich und sagte: „Ihr Pussis, der soll doch bluten.“ Er steckte seinen Faust in Marcos Sneaker und knallte ihm damit die Sohle voran auf die Lippen. Marco Kopf schnellte nach hinten und stieß gegen die Mauer hinter ihm. Zudem spürte er, wie etwas an seinem Mund herunterlief und in seinem Mund einen metallischen Geschmack hinterließ. Die nächsten beiden Schläge waren wieder von dem Blonden – peitschenartig knallte er Marco den Sneaker erst rechts und dann links ins Gesicht. Der nächste Schläger nahm die Schnürsenkel in die Hand, ließ den Sneaker erst kreisen und dann mit dieser Bewegung in Marcos Gesicht knallen.

Der Sneaker machte noch die eine oder andere Runde über Marcos Gesicht, das brannte wie Feuer. „Ich glaube, so langsam müsste er es begriffen haben“, meine dann einer der Jungs. „Schau dich mal an!“ Sie zerrten Marco vor den Spiegel – sein Gesicht war rot, voller Abrücke, und aus seinem Mund und seiner Nase tropfte Blut.

Im Spiegel musste Marco dann auch sehen, dass einer der Jungs seinen Sneaker in eines der Pissoirs legte und drauf- bzw. reinpinkelte. „Jetzt kannst du deinen Schuh wieder haben.“ Marco zögerte. „Was denn? Mach schon. Zieh ihn an.“

„Hey, er soll sich aber die Socke ausziehen, damit er die Pisse direkt am Fuß hat.“ Marco schüttelte den Kopf. „Hey Opfer, sollen wir dir deinen zweiten Schuh nach der Schule so lange ins Gesicht knallen, bis dich deine Mutter nicht mehr wiedererkennt? Socke runter, Schuh an. Und dann so richtig schön festschnüren.“

Marco hatte keine Zweifel, dass die Jungs ernst machen würden, wenn er nicht gehorchte. Also zog er sich erst seine Socke aus und holte den Sneaker aus dem Pissoir. „Nicht ausschütten. Die Pisse bleibt drin“, stellte einer der Jungs klar. Also schlüpfte Marco barfuß in seinen Sneaker, in dem eine Pfütze voller Urin schwamm. Marco verzog das Gesicht, es war so eklig, wie sich der Urin über seine ganze Fußsohle verteilte und zwischen seinen Zehen hervordrang.

„Brav. Und jetzt richtig festschnüren.“ Marco zog die Schnürsenkel fest an. Eine Schleife durfte er aber nicht binden, stattdessen fädelte einer der Jungs die Schnürsenkel aus den ersten beiden Ösen aus, zog noch einmal kräftig nach und verknotete die losen Enden mehrmals. Dann holte er einen Kabelbinder raus und fädelte diesen durch die beiden oberen Ösen und zurrte ihn fest zu.

Und zu Marco: „Du hast es verstanden, oder? Sneaker ausziehen ist nicht, bis du den Finderlohn geblecht hast, also nicht vor Montag.“ Marco nickte zögerlich, wagte aber zögerlich zu fragen: „Aber zum Duschen und nachts darf ich mir den Sneaker schon ausziehen, oder?“

„Natürlich nicht!“, lautete die bestimmte Antwort. „Du behältst den Piss-Sneaker immer an. Ob du damit duschen gehen willst, ist deine Sache. Du schickst uns ab Schulschluss heute jede halbe Stunde eine WhatsApp-Nachricht, auf denen der Sneaker mit unbeschädigtem Kabelbinder an deinem Fuß zu sehen ist.“

Marco wurde so langsam bewusst, was da auf ihn zukam. „Leute, das ist so übel. Ich kann doch nicht zuhause die ganze Zeit den Sneaker anbehalten. Was soll ich denn meiner Mum da sagen?“

„Das ist uns doch scheißegal. Ziehst du den Sneaker aus, gibt es am Montag eine weitere heftige Strafe. Und bring bloß den Finderlohn mit – fünfzig Euro.“

„Fünzig Euro?“, fragte Marco ungläubig. „Das sind meine alten Treter doch schon nicht mehr wert. Behaltet sie doch einfach und wir vergessen das mit dem Finderlohn.“

Die Jungs grinsten fies. „Tja, der Finderlohn gilt auch, wenn du einen anderen Sneaker trägst. Du hast also drei Möglichkeiten. Erstens – du kommst bis zum Abi immer nur mit einem Sneaker in die Schule. Zweitens – du holst dir jeden Tag Schläge und andere Strafen von uns ab. Drittens – du zahlst den Finderlohn.“

Jeder zweite Schritt auf dem Rückweg in den Klassenraum verursachte schmatzend-quietschende Geräusche. Irgendwie erinnerte ihn das Gequietsche an die alten, teilweise schon löchrigen Nike Air Max 270, die sein Klassenkamerad René immer zum Sportunterricht trug. René, der Fettsack, hatte es geschafft, die Airpad-Unit an einem der Schuhe zu zerstören, indem er von einem Kasten sprang. Das gepoppte Airpad führte nun dazu, dass René beim Sportunterricht quietschende Geräusche von sich gab.

Marco hoffte jedenfalls, dass der Urin in seinem Sneaker noch trocknen würde und so die Geräusche nachlassen würden. Im Unterricht hatten nicht nur er, sondern auch die Mitschüler im Umkreis permanent den Geruch von Urin in der Nase. Er versuchte, den Fuß so wenig wie möglich zu bewegen, um die Ausbreitung des Gestanks nicht auch noch zu fördern.

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Autor: Sebastian

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